20.03.2021 - von 19:00 bis 20:00 Uhr Abgesagt: Entbehrung, Hoffnung, Leben. Konzert im Völkerschlachtdenkmal

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Abgesagt:

Das Konzert beginnt mit einem gregorianischen Choral, der die christlichen Märtyrer besingt, die ihr Leben opferten. Und auch wir Knechtlein sollen einfügt werden in diesen Ring, sollen unser Leben in Hoffnung auf ein besseres entbehren. Dieser Faden zieht sich durch sämtliche Epochen der Menschheitsgeschichte. Welche Kämpfe führen wir heute?

Heute durchleben wir durch die Corona-Krise alle eine Zeit, in der jeder Einzelne durch Entbehrung Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen muss. Schaut man zurück, hat es immer wieder Seuchen und Epidemien in der Menschheitsgeschichte gegeben. So endete im Jahr 1813 eine Krankheitswelle in Leipzig dramatisch. Nach der Völkerschlacht mit 100.000 toten oder verwundeten Soldaten grassierte eine Typhus-Epidemie, die zehn Prozent der Einwohner das Leben kostete.

Uns Menschen, die wir momentan weltweit gegen eine Pandemie kämpfen müssen, verbindet mit den christlichen Märtyrern der ersten Jahrhunderte und den Kämpfern der napoleonischen Kriege die Erfahrung der Entbehrung und der Hoffnung auf ein besseres Leben. Nein, wir wollen nicht unser Leben opfern, sondern fremdes Leben schützen und Hoffnung geben. Diese Hoffnung wohnt der nachfolgend erklingenden Musik inne, die an unsere musikalische Heimat in Zeiten der Verunsicherung erinnert und uns Kraft schöpfen lässt.

Palestrinas „Missa Aeterna Christi munera“ von 1590 besticht durch kompositorische Klarheit und Überzeugungskraft. Als motivische Grundlage der geistlichen Messkomposition verwendet Palestrina den anfangs erklungenen und beschriebenen gregorianischen Choral. Palestrina wendet diese Choralzeilen in der Eröffnungsfolge Kyrie–Christe–Kyrie nacheinander an, gibt sie von einer Stimme zur nächsten weiter, verwandelt sie und schmückt sie aus. Er setzt sie im wortreichen Credo auf weniger komplizierte Weise ein, indem er sie vornehmlich in der obersten Stimme andeutet. In den späteren Sätzen führt Palestrina spielerisch sacht und mit äußerster Gelassenheit seine Variationen aus, bis er schließlich im Agnus Dei eine überaus friedfertige Passage hervorbringt, zu der er die Stimmen auf „Dona nobis pacem“ in Parallelführung anordnet.

Palestrina als Meister der Renaissance war wiederum Vorbild für die Motettenpraxis Kuhnaus. In seiner Motette „Tristis est anima mea“ erkennen wir die Verarbeitung verschiedener Soggetti und die polyphone Technik wieder. Der Text gibt die Worte Jesu an seine Jünger wieder, mit ihm zu wachen bevor sie ihn alleine lassen, wenn er geopfert wird. Im bewegenden Ende des Stückes stellt Kuhnau dabei die Hoffnung auf das ewige Leben dar.

Bach setzte sich in seiner Leipziger Zeit in Aufführungen mit lateinischen Messen Palestrinas auseinander. In der Kunst der Fuge besinnt sich Johann Sebastian Bach auf den „stile antico“ Palestrinas. Seinen Zyklus von vierzehn Fugen und vier Kanons (BWV 1080) stellt er den barocken Errungenschaften der „seconda pratica“, wie konzertierendem Prinzip oder Rezitativen, entgegen. Laut dem ersten Bach-Biograph Johann Nikolaus Forkel sollte anschaulich vermittelt werden, „was möglicher Weise über ein Fugenthema gemacht werden könne. Die Variationen, welche sämmtlich vollständige Fugen über einerley Thema sind, werden hier Contrapuncte genannt“.

Das Konzert wird mit Brahms beschlossen. Er greift explizit auf die Polyphonie Bachs zurück und hinterlässt uns eine dicht gewebte, polyphone Motette die mit einem Luther-Choral beschlossen wird. Die gewählten Texte aus dem Alten Testament beschreiben einen Gott, der Ungehorsam mit Strafen schlägt und Hiob unverdient ins Unglück stürzt. Doch wie ist dieses Leiden und das Leid in der Welt vor dem Hintergrund zu erklären, dass ein Gott einerseits allmächtig, andererseits gut sei? Die Theodizee-Frage „Warum“ stellt Brahms in mehreren Akkorden an den Anfang seiner Motette, ohne dass der Hörer schon weiß, wonach er fragt. Ein textlicher Hinweis auf eine Erlösung – nach christlichem Verständnis durch Christi Tod – fehlt bei Brahms. Den Sinn des Leidens und Sterbens lässt Brahms uns nur musikalisch erahnen. So scheint durch die Texte durch: Gott will, dass allen Menschen geholfen wird. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“, bekennt Hiob in tiefster Not. Im Vertrauen darauf wird es möglich, sich auf Gott zu verlassen und dem Nächsten zu dienen.

Mit dieser Hoffnung werden wir auch die Entbehrungen der Pandemie meistern. Der Kampf, mit dem unser Konzert im Zeitalter der Gregorianik begann, ist der Hoffnung gewichen.

Programmfolge

Chorimprovisation über den gregorianischen Hymnus
Aeterna Christi munera

Giovanni Pierluigi da Palestrina (~1525-1594)
Missa Aeterna Christi munera: Kyrie – Christe – Kyrie

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Kunst der Fuge (BWV 1080), Contrapunctus 1

Giovanni Pierluigi da Palestrina (~1525-1594) Missa Aeterna Christi munera: Credo

Kunst der Fuge, Contrapunctus 2

Gottfried August Homilius (1714-1785)
Motette Der Herr wird mich erlösen HoWV V.9

Johann Kuhnau (1660 – 1722)
Tristis est anima mea

Kunst der Fuge, Contrapunctus 3

Mårten Jansson (*1964)
Mörkblå tillit

Kunst der Fuge, Contrapunctus 4

Johannes Brahms (1833-1897)
Warum ist das Licht gegeben, Motette op. 74, Nr. 1

Leipziger Kammerchor, Gruppe Con moto
Leitung: Andreas Reuter

Eintritt: Erwachsene 8,00 €, Ermäßigt 6,00 €, Besucher bitte hier anmelden!

Veranstaltungsort

Völkerschlachtdenkmal, 04299 Leipzig, Str. des 18. Oktober 100

20.03.2021 -

von 19:00 bis 20:00 Uhr